Historische Liebesbriefe, heute: Napoleon

Veröffentlicht auf von open 4 life

Eine recht schöne Form, Zuneigung zu einer geliebten Person auszudrücken, ist der Liebesbrief. Er erfordert zunächst einiges an Vorbereitung, denn kaum jemand will einen Liebesbrief schreiben auf dem billigen Papier eines karierten Schulschreibblocks mit Ringbucheinlage ... Auch der hellblaue Plastikkugelschreiber von AOL, den man vielleicht vorletzte Woche auf dem Großmarktparkplatz von einem AOL-Vertreter als Werbegeschenk zum Info-Zettel mit in die Hand gedrückt bekam, eignet sich gefühlt erstmal nicht besonders gut. Für einen Liebesbrief müssen anständige Utensilien her, soviel ist den meisten schon mal klar.

Auch darf das Papier nich zu überladen wirken oder zu kitschig, sonst erscheint der zu schreibende Inhalt eventuell zu belanglos; hier muss jeder selbst wissen, ob er mehr der Romantiker mit rosa Blütenornamenten in den Ecken ist oder eher der Minimalist, dem einfaches, weißes, gutes Papier für seine Zwecke ausreicht. Ebenso ist die Wahl des Stifts äußerst wichtig, sonst gibt man nach zehn Minuten entnervt auf, weil der Füller, den man sich extra für diesen Anlaß gegen teures Geld im Papierkontor zugelegt hat, nach jedem vierten Buchstaben neu mit Tinte benetzt werden muss und man die Zeit dafür vielleicht noch im Mittelalter hatte, als es so etwas wie Zeit eigentlich noch gar nicht so richtig gab - aber heute jedenfalls nicht mehr.

Ein weiterer wichtiger Punkt im Übrigen - die Zeit! Liebesbriefe, die man so dahingeklatscht hat inhaltlich, weil man eben gerade eigentlich nichts davon hatte von der guten, schönen Zeit, werden einem später höchstwahrscheinlich erzürnt zurückgesendet; im besten Falle zerrissen, im schlimmsten Fall an den übertriebensten Stellen angestrichen. Also gilt beim Liebesbriefe schreiben offenbar, sich die nötige Zeit zu nehmen: Die Gefühle fließen und Ruhe einkehren lassen, das ist doch das Eigentliche, worum es hierbei geht, der Respekt für die geliebte Person, den man vielleicht bei den ersten Malen sprachlich noch nicht so ganz auf den Punkt zu bringen in der Lage ist, dieser Respekt zumindest schimmert dann doch zwischen den Zeilen durch wie die farbigen Blütenblätter einer wunderschöne Orchidee, die die Geliebte schon von weitem durch den Nieselregen erkennt und ihr Herz erfreut, wenn man sie nach einer anstrengenden Reise vom Bahnhof abholt.
Auch wenn die Blume kurz vorher im Bahnhofsblumenladen gekauft wurde.
Die Gedanken zählen, die man sich gemacht und die Zeit, die man sich genommen hat!

Jemand, der im Grunde genommen auch nie Zeit hatte, war Napoleon Bonaparte. Obwohl er ständig unterwegs war in Europa um sich selbiges dabei zu unterwerfen, schrieb er doch regelmäßig Liebesbriefe an Josephine, seine Freundin und spätere Frau. Zur Veranschaulichung hier ein Brief an Josephine, die sich zu diesem Zeitpunkt in Mailand aufhielt. Napoleon selbst befand sich in Marmirolo und führte u. a. von dort aus den erfolgreichen Feldzug gegen die Österreicher inItalien, der den Beginn der napoleonischen Herrschaft über Teile Europas darstellt. Adressiert ist der Brief auf den 17. Juli 1796, abends:

Ich habe Deinen Brief erhalten, meine anbetungswürdige Freundin; er hat mein Herz mit Freude erfüllt. Tausend Dank für die Mühe, die Du Dir genommen, mich über Dein Befinden zu benachrichtigen; [...]. Seit ich Dich verlassen, bin ich stets traurig gewesen; glücklich bin ich nur in Deiner Nähe. Fortwährend denke ich im Geiste an Deine Küsse, Deine Tränen, Deine reizende Eifersucht, und der Zauber der unvergleichlichen Josephine entfacht immer von neuem die wildglühende Flamme meines Herzens und meiner Sinne. Wann werde ich endlich, frei von Sorgen und Geschäften, all meine Zeit bei Dir verbingen können, nichts anderes zu tun haben, als Dich zu lieben, an nichts anderes denken zu brauchen, als an das Glück, es Dir zu sagen und zu beweisen? [...] Vor einiger Zeit glaubte ich Dich zu lieben, aber seitdem ich Dich gesehen habe, fühle ich, daß ich Dich noch tausendmal mehr liebe. Seitdem ich Dich kenne, bete ich Dich täglich mehr an, das beweist, wie falsch der Grundsatz La Bruyère`s ist: die Liebe kommt mit einem Male. Alles in der Natur geht seinen Gang und hat seine verschiedenen Grade der Steigerung.; Ach! laß mich, ich bitte Dich, wenigstens einige Deiner Fehler sehen! Sei weniger schön, weniger anmutvoll, weniger zärtlich, weniger gutbesonders sei niemlas eifersüchtig, weine niemals; Deine Tränen bringen mich um die Vernunft, erhitzen mein Blut. Glaube mir, es steht nicht mehr in meiner Macht, auch nur einen Gedanken zu haben, der nicht Dir gehörte, eine Idee, die ich nicht Dir unterbreite.
Ruhe Dich nur gut aus. Erhole Dich recht schnell und komme mir nach, damit wir wenigstens, ehe wir sterben, sagen können: wir verlebten so viele glückliche Tage!
Millionen Küsse, selbst für Fortuné, trotz seiner Garstigkeit.“

Bonaparte.

Nun ja, Napoleon spricht hier zwar die meiste Zeit von sich selbst, und das vielleicht auch ziemlich pathetisch, aber was an Napoleon war nicht pathetisch? Schön ist zumindest im Ansatz, wie er seinen Wunsch ausdrückt, all seine Zeit mit Josephine zu verbingen. Auch wenn wir als Nachgeborene wissen, dass und seine Herrschaft auszubauen...
Geschickt ist ebenfalls der Satz: „Ach! laß mich, ich bitte Dich, wenigstens einige Deiner Fehler sehen! [...]“
Schön!
Ach so: La Bruyère war übrigens ein französischer Schriftsteller des 17. Jahrhunderts und Fortuné der Hund Josephines, aber ich will Sie auf keinen Fall vom Schreiben abhalten ...

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